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Posts Tagged ‘Greifswald’

Feltkamp Freester Fischerteppiche

Die Buchsendung ist frisch bei mir aufgeschlagen.

»Alle Völker haben ihre Volkskunst … Die wahre Volkskunst lebt nicht mehr.«
(Milan Kundera: Der Scherz, 1967)

Am ersten Mai-Wochende hat die Fischerteppich-Initiative (c’est moi) eine Buchsendung erhalten. Kurt Feltkamp aus Greifswald hat mir auf dem Postweg seine aktuelle Publikation über die Fischerteppiche zukommen lassen, die bisher leider nur in Greifswalder Buchhandlungen erhältlich ist (hier bereits angekündigt). Dazu muss man wissen, Kurt Feltkamp ist DER Experte für Fischerteppiche. Herr Feltkamp kümmert sich aktiv um die Wahrung des künstlerischen Erbes von Rudolf Stundl, dem Erfinder der Teppiche. Außerdem hat er sich aktiv für das Wiederaufleben der Rudolf-Stundl-Stiftung am Caspar-David-Friedrich-Institut für Kunstwissenschaften der Universität Greifswald eingesetzt. Der Zweck der Stundl-Stiftung ist die »Förderung des textilen Gestaltens von Studenten und Absolventen des Instituts für Kunstwissenschaften der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald sowie von jungen Textilkünstlern; Beitrag zur Entwicklung der Textilkunst im Ostseeraum (Vergabe des Rudolf-Stundl-Preises alle drei Jahre)«.

Zurück zum Buch. Das schmale Büchlein vermittelt einen schönen ersten Gesamteindruck von der Kunst der Fischerteppiche. Den Auftakt macht der OZ-Redakteur Eckhard Oberdörfer mit »einer kurzen Geschichte der vorpommerschen Teppichknüpferei«. Es folgt ein Stundl-Porträt von Kurt Feltkamp, der den Teppicherfinder noch persönlich kannte, sowie ein Kapitel zur typischen Ornamentik der Ostseeperser inklusive einem Analysebeispiel. Es bleibt nicht bei nackten Fakten aus dem Archiv, nein, die Kapitel sind gespickt mit historischen Schwarzweißaufnahmen. Absoluter Pluspunkt ist das Schlusskapitel »Geknüpfte Meisterwerke«, das mehr als 45 farbige Abbildungen von alten und neuen Fischerteppichen enthält und über die Hälfte der insgesamt 72 Buchseiten ausmacht. Darunter sind der Dankesteppich von 1929, ein Paradiesteppich von 1930 und ein Mythenteppich von 1932 sowie einige Teppiche, die bereits in diesem Blog gezeigt wurden. Darüber hinaus werden stolze Teppichbesitzer mit ihren Unikaten abgebildet, wie der Greifswalder Arzt Volker Worm und die Pathologen Lothar Kämpfe und Gerd Lorenz.

Trotz allen Lobes gibt es natürlich auch etwas auszusetzen. Die Wahl des Titels ist m.E. problematisch. Wir erinnern uns: Wir befinden uns im Jahr 1928. Ganz Nordvorpommern ist von einem Fischfangverbot bedroht. Nur ein Landrat in Greifswald hört nicht auf, sich Gedanken um die arbeitslosen Fischer zu machen. Das Ergebnis sind – die ›Pommerschen Fischerteppiche‹! Erst in der Nachkriegszeit, als der Begriff ›Pommern‹ in den Ohren der kommunistischen Machthaber revanchistisch klang, wurden die Fischerteppiche nach ihrem Entstehungsort Freest benannt. Die SED-Kommunisten sind jedoch seit 22 Jahren in Rente. Dennoch wird der Name ›Freester‹ weiterverwendet (als hätte es die Wende nicht gegeben), was den Beitrag der Knüpfer anderer Gemeinden in Vorpommern einfach unter den Tisch fallen lässt. Wer aus Lassan, Lubmin oder Usedom kommt, wird sich schwerlich mit Freester Fischerteppichen identifizieren können. Ein weiterer Kritikpunkt sind die mangelnden Bestellmöglichkeiten (das Buch ist weder im Buchhandel noch bei Amazon gelistet) und die mangelnde Werbung des Sardellus-Verlags, denn nicht einmal auf den eigenen Internetseiten ist der Titel zu entdecken. Peinlich. Ich jedenfalls kann allen Interessierten den Kauf uneingeschränkt empfehlen. Leider weiß ich den Preis nicht – mein Buch war ein Geschenk. :-)

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Kurt Feltkamp & Eckhard Oberdörfer (Texte), Peter Binder (Fotos):
Freester Fischerteppiche
Greifswald 2011
ISBN 978-3-9813402-2-8
Verlagspräsenz: www.sardellus.de

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Pommersche Fischerteppiche

Freester Flickenteppich

Während aktuell ein Perserteppich des 17. Jahrhunderts aus der iranischen Provinz Kerman mit einem Rekordpreis von 7,2 Mio. Euro als teuerster Teppich der Welt für kräftig Schlagzeilen sorgt, schaffen es auch Teppiche in die Zeitung, die nur hin und wieder als »Perser von der Ostsee« bezeichnet werden. Von Pommerschen bzw. Freester Fischerteppichen ist die Rede. In der Wolgaster Ausgabe der Ostsee-Zeitung vom Wochenende fand sich folgende Meldung (OZ, 10./11. Dezember 2011, Leserservice / Wolgast / Aus der Nachbarschaft, S. 12):

»Perser von der Ostsee werden immer wertvoller.
Geschichte der Freester Fischerteppiche in Buchform.

Aus einer Hilfsaktion für bettelarme Küstenbewohner entstand in kürzester Zeit ein weltweit geschätztes Kunsthandwerk. Die Rede ist von den Freester Fischerteppichen, die es seit etwa 80 Jahren gibt. Sie sind gewebte Musik voller Farben und Rhythmen, inspiriert von der herben Schönheit der See. Darum werden die Teppiche von ihren Besitzern so geschätzt und gewinnen mit der Zeit immer mehr an Wert. Inzwischen sind mehrere tausend dieser Teppiche entstanden, die nicht nur in privater Hand, sondern auch in Museen zu finden sind. Kurt Feltkamp, der den Weg der Knüpfwerke über fünf Jahrzehnte forschend und fördernd begleitete, hat nun zusammen mit OZ-Redakteur Eckhard Oberdörfer in einem anspruchsvoll bebilderten Buch die wechselvolle Geschichte der „Perser von der Ostsee“ bis in die Gegenwart nachgezeichnet. Ausführlich wird die unverwechselbare Gestaltung der Freester Fischerteppiche dargestellt. Ein eigenes Kapitel widmet sich Rudolf Stundl, der als Gestalter, Lehrer und Manager Jahrzehnte unverzichtbar für die Fischerteppiche war. Er beschaffte Material, entwarf neuartige Muster, schulte die ersten 33 Fischer und mit Luise Witt die erste Frau. Und er entwarf Webstühle, die in die niedrigen Fischerhütten passten.

Das Buch Freester Fischerteppiche ist als Hardcover im Sardellus Verlag erschienen und in den Greifswalder Buchläden erhältlich.«
(ISBN 978-3-9813402-2-8)

Verstrickungen mit den deutschen Diktaturen

Außerdem möchte ich noch auf einen wissenschaftlichen Text aufmerksam machen, der sich mit der ideologischen Vereinnahmung der Fischerteppichknüpferei als systemgefälliger »Volkskunst« befasst – sowohl im Nationalsozialismus wie hernach im DDR-Sozialismus. Obwohl das Teppichhandwerk erst 1928 in Freest und Umgebung installiert worden war, wurde mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten (die Autorin Birgit Dahlenburg spricht fälschlicherweise vom Machtantritt der »Faschisten«) aus dem 7jährigen Bestehen der Fischer-Teppich-Heimknüpferei eine ominöse Volkskunst mit über 700jähriger Tradition. Im Jahr 1935 überreichte der Gauleiter von Pommern, Franz Schwede-Coburg, dem Ministerpräsidenten und Reichsjägermeister Hermann Göring einen Jagdteppich, der nach Entwürfen eines 14jährigen Mädchens, vermutlich aus Freest, Lubmin oder Spandowerhagen, geknüpft und in der Literatur auch als »Göringteppich« bezeichnet wurde. Zu DDR-Zeiten waren die Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht und Erich Honecker prominente Besitzer und Förderer der Fischerteppiche.

Mehr zur dunklen Seite der Pommerschen Teppiche beleuchtet der Text von Birgit Dahlenburg: Pommersche Fischerteppiche – traditionsreiches Kunsthandwerk oder Medium ideologischer Vereinnahmung, enthalten in dem Aufsatzband von Bernfried Lichtnau (Hg.): Bildende Kunst in Mecklenburg und Pommern von 1880 bis 1950. Kunstprozesse zwischen Zentrum und Peripherie, Lukas Verlag, Berlin 2011, S. 446–453.

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Koggeteppich von 1930

Koggeteppich
Der Kreisausschuss seinem Landrat Kogge

Besitz: Pommersches Landesmuseum Greifswald
Urweberrecht: Rudolf Stundl
Maße: ca. 180 x 250 cm
Jahr: 1930

Hierbei handelt es sich um ein Auftragswerk. Die eingewobene Widmung sagt uns, wer der Auftraggeber ist: „Der Kreisausschuss seinem Landrat Kogge“. Der sogenannte Koggeteppich war ein Geschenk des Landkreises Greifswald an den Landrat Werner Kogge, dem Ideengeber der Pommerschen Fischerteppiche.

Im Teppichspiegel sind das Meer und seine Bewohner, Fische und Segelboote zu sehen. In den vier Ecken befinden sich die Symbole der drei christlichen Tugenden, die beliebten Tätowierembleme Glaube (Kreuz), Liebe (Herz), Hoffnung (Anker). Im kreisrunden Teppich-Medaillon sehen wir die Wappen der Städte des damaligen Landkreises Greifswald: die Hansestadt Greifswald, Gützkow, Usedom, Wolgast und Lassan.

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Fischerteppich-57-Feltkamp

Stolper Stranddistel mit fliegenden Möwen

Besitz: privat
Urweberrecht: Rudolf Stundl
Maße: ca. 40 cm x 40 cm
Jahr:

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Fischerteppich-55-Feltkamp

Vierfische und Doppelanker

(Abbildung der Unterseite erfolgte wegen starker Abnutzung der Oberseite)

Besitz: privat
Urweberrecht: Rudolf Stundl
Maße: ca. 40 cm x 40 cm
Jahr:

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Fischerteppich-54-Feltkamp

Psychedelischer Zweifisch mit Ankerkreuzen und sanfter Wellenkante

Besitz: privat
Urweberrecht: Rudolf Stundl
Maße: 60 x 90 cm
Jahr: 1970er

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Fischerteppich-53-Feltkamp

Dreifische mit Fischaugen und sanfter Wellenkante

Besitz: privat
Urweberrecht: Rudolf Stundl
Maße:
Jahr: 1970/80er

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Fischerteppich-52-Feltkamp

Eichhörnchenteppich mit Hirschkante

Besitz: privat
Urweberrecht: Rudolf Stundl
Maße: 145 x 105 cm
Jahr: 1930er Jahre

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Fischerteppich-51-Feltkamp

Ankersterne und Vierfische auf Strandsand

Besitzer: Dr. Kurt Feltkamp
Urweberrecht: Rudolf Stundl
Maße: ca. 200 x 100 cm

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Koggenteppich

Koggenteppich

Schifferteppich mit Herz-Jesu-Kante

Urweberrecht: Rudolf Stundl
Anfertigung: Anna Beuge
Besitzer: Dr. Kurt Feltkamp
Maße: ca. 137 x 96 cm
Jahr: 1931

Bei diesem Teppich handelt es sich schon eher um ein museales Textil, denn das gute Stück stammt noch aus der Anfangsphase, in der viele Motive und deren Anordnungen zueinander probiert wurden. Im Teppichspiegel sind ganz klar Schiffe (Schwedenkoggen) zu sehen. Die Mittelrauten geben einige Rätsel auf, es ist nicht eindeutig zu erkennen, was hier dargestellt werden sollte. Den Teppichrand ziert ein später selten gewordenes Motiv: das geflügelte Herz Jesu von Pfeilen durchstochen. Der Volksmund bezeichnete diese Kombination aufgrund ihrer optischen Wirkung kurz als „Maikäfer“. Die Farben sind in ihrer Zusammenstellung ein wenig gewagt, doch der Eindruck kann täuschen, denn sie sind aufgrund ihres Alters von ungefähr 70 Jahren bereits ein wenig verblichen.

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